Thüringer Urwaldpfade

Urwaldreliktarten

Ein kleiner Käfer auf einem alten Baumstumpf! Urwaldreliktarten wie der Eremit (Osmoderma eremita), der mit einer Größe von bis zu 3,8 cm schon zu den Großen seiner Zunft zählt, mögen auf den ersten Blick unscheinbar wirken. Doch sie sind ein eindeutiger Hinweis auf das intakte Ökosystem eines naturnahen Waldes, in dem sie wichtige Funktionen übernehmen.

Wie ein jeder von uns einen unterschiedlichen Berufe erlernt hat, so hat auch jeder Organismus in unseren Wäldern eine bestimmte Aufgabe im Ökosystem. Urwaldreliktarten zählen zu den totholzbewohnenden (= xylobionten) Käferarten. Ohne Ihre Hilfe würde unser Bild vom Wald ein anderes sein. Totholzkäfer zersetzen und zerkleinern das Holz abgestorbener Bäume, sodass im Anschluss eine Vielzahl von Kleinstlebewesen und Mikroorganismen die Überreste verwerten können. Auf diese Weise entsteht neuer Boden, auf dem junge Sprösslinge wachsen können. Würde es keine holzzersetzenden Tiere und Pilze geben, so türmte sich lediglich das alte Holz im Wald.

 

Thüringer Urwaldpfade
Der Plattnasen Holzrüssler (Gasterocerus depressirostris)

Wie ihr Name schon vermuten lässt, sind Urwaldreliktarten auf urwaldtypische Strukturen angewiesen. Da sie in und auf Totholz leben, muss davon stets genügend vorhanden sein. Wie ein Schiffbrüchiger auf hoher See eine rettende Sandbank zum Überleben benötigt, so stellen diese ökologischen Inseln aus Alt- und Totholz für viele Arten lebenswichtige  Elemente im Wald dar.

Urwaldperle Vessertal
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verschiedene Urwaldreliktarten gibt es in Deutschland. Diese besonderen Käferarten übernehmen wichtige Aufgaben im Waldökosystem. Viele der Urwaldreliktarten sind vom Aussterben bedroht oder bereits aus unseren Wäldern verschwunden.
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An unseren Pfaden kommen insgesamt 31 verschiedene Urwaldreliktarten vor. Die höchste Anzahl verschiedener Arten (20) gibt es in den Wäldern der Hohen Schrecke.
101

Nach 101 Jahren wurde der Knochen-Glanzkäfer (Trox perrisii) im Jahr 2010 an der Hohen Schrecke wiederentdeckt. Er galt seit 1909 in Thüringen als verschollen.
Thüringer Urwaldpfade
Der Knochen-Glanzkäfer (Trox perrisii)

Manche Totholzkäfer, wie der Knochen-Glanzkäfer (Trox perrisii), haben ganz besondere Ansprüche an ihren Lebensraum. Trox perrisii steht auf Altbauten und zwar in Form alter Höhlen des Schwarzspechtes. Bevor der Knochen-Glanzkäfer jedoch einzieht, müssen als Nachmieter des Spechtes zuerst die Hohltaube, der Waldkauz und ein paar Fledermäuse oder Siebenschläfer in der alten Höhle gehaust haben. Nur dann findet der Knochen-Glanzkäfer im Mulm, zwischen Fell, Federn und Knochen den passenden Lebensraum. Möchte er umziehen, so fliegt er höchstens 500 Meter weit. Spätestens dort muss wieder ein alter Baum mit einer Höhle und vielen Vormietern stehen, damit sich der Knochen-Glanzkäfer wohlfühlt.

Auch der Eremit (Osmoderma eremita) ist eine Seltenheit. Einst weit und flächendeckend in Deutschland verbreitet ist er in unseren Wäldern rar geworden.  Und doch wurde er in den Wäldern und Schluchten von Eisenach, genauer gesagt rund um die Wartburg und die Eliashöhle, entdeckt. Eine wahre Sensation!

„Die Entdeckung des Eremiten an der Eliashöhle hat natürlich einen besonderen Charme: Der Sage nach soll zur Zeit der heiligen Elisabeth hier ja ein echter Eremit gelebt haben.“